Torsten Staude                       Alptraum-Sonett

*1969

© beim Autor

Ich hör’, das Gesicht von Grauen entstellt,

Seidengebettet mich Blumen umrigen,

Wie Spaten lautstark in das Erdreich dringen

Und feuchter Lehm auf meine Kammer fällt.

 

Doch jene quält mit bedrückender Enge,

Meine Augen mich mit Dunkelheit strafen.

Ich habe wohl gänzlich den Tag verschlafen,

Oder beschleichen mich des Alptraums Zwänge.

 

Und als die stick’ge Luft zum Atmen karg,

Nur die Ängste von den Gedanken laben,

Macht plötzlich sich kaltes Entsetzen stark.

 

Es ist kein Inkubus, der mir erhaben,

Meine Liegestatt ist ein hölzern’ Sarg.

Ich bin lebendigen Leibes begraben!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Torsten Staude                       Der Staat

*1969

© beim Autor

Er schröpft die Kranken, die Armen und Alten,

Gleich wie das gierige Fleddern von Leichen,

Will der Unterschicht den Notgroschen streichen

Und hofft noch, deren Duldung zu erhalten.

 

Und wie, als wollte man die Menschheit spalten,

Verschont er die Adligen und die Reichen,

Strebt er selbst doch blindlings zu derengleichen,

Die einzig allein dieses Land verwalten.

 

Obwohl sein Etat Grenzen übersteigt,

Schwelgt er in’s nächste Schuldenloch hinein,

Für das die Schwächsten in trock’nes Brot beißen.

 

Doch wer mit dem Finger auf and’re zeigt,

Sollt’ sich auch darüber im klaren sein,

Daß nun die Übrigen auf ihn selbst weisen!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Torsten Staude                       Die Vergeltung

*1969

© beim Autor

Gierende Klauen greifen nachts nach dir,

Wollen Höllenqual und Schmerzen bereiten

Und zerfleischend über das Antlitz gleiten,

Dein nacktes Entsetzen dies Schrecknis ziert.

 

Im Spiegelbild deiner kranken Manier

Wird dich die Erlösung des Todes meiden,

Wirst schreiend die grausig’ Tortur erleiden,

Die boshaft aus der Vergangenheit stiert.

 

Der Gepeinigten unzählige Tränen,

Die in Bächen fließend um Mitleid flehen,

Werden zu Angstschweiß auf deinem Gesicht.

 

Wie fauler Atem hungriger Hyänen,

Dich Gerüche des Verderbens umwehen.

Im Hauch der Rache dein Dasein zerbricht!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Torsten Staude                       Vergessene Helden

*1969

© beim Autor

Fernab der Orte von Tod und Verderben

Beschlossen kühl die Militärstrategen,

Daß sich, dem glorreichen Siege zum Segen,

Die Schützengräben nun blutesrot färben.

 

So zogen Heere zum Töten und Sterben

Einem unbekannten Feinde entgegen,

Sie kämpften wahrhaft tapfer und verwegen

Und versanken doch in Trümmer und Scherben.

 

Und die, die es schafften zurückzukehren,

Dem Irrsinn nahe, mit fehlenden Gliedern,

Läßt man nun kläglich dahinvegetieren.

 

Wenn Kriege tausende Opfer versehren,

Gegner die Todesbefehle erwidern

Muß man auch das Resultat akzeptieren!

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Torsten Staude                       Zwei Gräber

*1969

© beim Autor

Ein prächt’ges Grab, von der Nachwelt beehrt,

Von Blumen der Trauernden umrissen.

Er wollte sein Leben im Diesseits wissen,

Der Unfalltod hat es ihm nicht gewährt.

 

Ein kahles Holzkreuz, vom Winde verzehrt,

Nur wenige den Verblichenen missen.

Er führte den Kampf des Daseins verbissen,

Sein Selbstmord nun den Gottesacker nährt.

 

Und so liegen beide doch dicht beisammen,

Von starken Armen des Todes vereint,

Die lüsternd sich um deren Körper schlingen.

 

Und erloschen sind ihres Lebens Flammen,

Vom einen begiert, vom and’ren beweint.

Das grausam’ Schicksal kann niemand bezwingen.